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Schreibung des r-Lautes

Noch in der Zeit der sog. Mundartwelle vor drei Jahrzehnten legten damalige Originalsprecher großen Wert auf eine authentische Aussprache rund um den r-Laut in Dialektwörtern. Das fand zum Teil seinen Niederschlag in damals ver­öffentlichten Laienschreibungen. Durch die Diphthongierung vor dem r-Laut im Widerspruch zu Monophthongen lassen sich lautliche Unterschiede der Vokale erkennen. Allerdings bestehen Zweifel, ob der tatsächliche Lautstand mit den zur Verfügung stehenden Mitteln exakt wiedergegeben wurde.

Bei der wissenschaftlichen Arbeit über die Mundarten des Kreises Biedenkopf im nordwestlichen Althessen von Hans Friebertshäuser (Marburg) bereitete es keine Schwierigkeiten, die vor dem /r/ stehenden zentrierenden Diphthonge in Lautschrift anzugeben: <Bíer> (Birne), <Dòer> (Tor), <Húer> (Haar).

Mit Ausnahme zweier Gebiete im nörd­lichen Niederhessen und in Osthessen kommt der d/r-Wechsel in hess. Basis­dialekten vor. Akustische Unterschiede bei den davor stehenden Vokalen sind im mittelhess. Großdialekt vorhanden. Keine r-Haltigkeit besitzt das kurze /i/ in <schirre> (schütten), während der Vokal in <lïerre> (litten) als Diphthong dargestellt wird. Dieser wahrnehmbare Widerspruch lässt sich damit erklären, dass die Diphthongierung bereits vor dem d/r-Wechsel existierte, wie es die Singularform <lïedt> (litt) anzeigt. Bei <rïerr> (ritt) ist auch der Singular vom Rhotazismus betroffen.

Unternommene Versuche, das Problem der r-Haltigkeit kurzer Vokale einfacher wiederzugeben, schlugen fehl. Lediglich vor weiterem Konsonanten konnte die Dialektschreibung vereinfacht werden.

Örtliche Unterschiede können als Folge des d/r-Wechsels auftreten. Die Form <werrer> (wieder) entstand durch die Absenkung des i-Lautes der 1. Silbe in manchen Ortsdialekten und konkurriert mit <Wäerrer> (Wetter). Ob allerdings das letzte Wort als Gewässername mit Diphthongierung überall vorkommt, ist nicht eindeutig; bei <Wërrer> steht ein offener e-Laut ohne r-Haltigkeit in der betonten 1. Silbe des Dialektwortes für den Fluss "Wetter" in der Wetterau.

Sicherlich unbewusst tauchte das laut­liche Problem der r-haltigen Vokale in der Sprachgeschichte schon einmal auf. Beim Übergang zur neuhochdeutschen Schriftsprache verschwanden /ie/ und /üe/ als zentrierende Diphthonge des Mittelhochdeutschen. Die Schreibweise <ie> blieb jedoch zur Darstellung des Langvokals /i:/ erhalten; folglich wurde eine Monophthongierung durchgeführt, aber nicht vor dem r-Laut. Schreibung und Aussprache blieben bestehen, weil der zentrierende Diphthong /ie/ vor /r/ kaum als Doppellaut wahrnehmbar ist. Geändert hat sich dabei die Definition; wie aus den nachfolgenden mittelhoch­deutschen Wörtern hervorgeht, die ins Neuhochdeutsche gelangten, kann eine Änderung bei ihrem Aussprechen ver­neint werden: <bier, hier, niere, stier, tier, vier, zieren>.

Eine Angabe von Dialektwörtern ist im Zuge dieser historischen Betrachtungs­weise unangebracht, weil die oberhess. Doppellaute <äi> und <oi> bereits im Spätmittelalter an die Stelle von mhd. /ie/ und /üe/ getreten waren. Bei der mhd. Variante <mier> (mir) entfiel die ie-Schreibung für die betonte Form des Personalpronomens, was zu einer Aus­nahmeregel heutiger Laut-Buchstaben-Zuordnungen führte.

Auch das Überführen von /üe/ ins Neu­hochdeutsche tangierte die r-Haltigkeit der aktuellen Vokale. Die zweisilbigen mittelhochdeutschen Verben <rüeren> (rühren), <snüeren> (schnüren) und <vüeren> (führen) enthielten den zur vokalischen Länge gehörenden Doppel­laut /üe/ vor dem intervokalischen /r/.

Grundsätzlich ist das lautliche Problem der r-haltigen Vokale vor dem erhalten gebliebenen /r/ erklärungsbedürftig. In Dialekten mit dem d/r-Wechsel können Vokale ohne r-Haltigkeit vor dem r-Laut auftreten. Wo dieser Rhotazismus nicht existiert, aber zentrierende Diphthonge vorkommen, stehen solche Doppellaute auch vor /r/, wenn keine Vokalisierung durchgeführt wurde. Im Neuhessischen vokalisierte der absolute Auslaut nach Langvokal am Wortende: <Bíe> (Bier), <mée> (mehr), <vóe> (vor). Nieder­hessisch <Búere> (Bauer) ähnelt dem entsprechenden niederdeutschen Wort. Seite 8.94 beschreibt Vokalisierungen.


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